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Wo ist die Weihnachtsmagie geblieben ?

Dieses Jahr hat meine Chronik Verspätung. Schuld ist wahrscheinlich die Klimaerwärmung, denn wegen ihr ist mir kaum aufgefallen, dass schon Dezember ist. Ich warte auf die Kälte, die ich schon bald verfluchen werde, wenn sie erst einmal da ist. Auf die ersten Schneeflocken, die auf der Zunge schmelzen, wie ein wohltuendes homöopathisches Heilmittel. Auf das mysteriöse Bild, das der Frost auf die Fenster zeichnet, und die beschlagenen Brillengläser. Und auf die Eiszapfen, die wie eine Armee aus eisigen Soldaten von den Hausdächern herunterhängen.

 

Ohne diese nostalgischen Bezugspunkte, aber dennoch verleitet vom allgegenwärtigen Marketing, beschliesse ich am Samstagmorgen auf dem Markt, trotzdem einen Weihnachtsbaum zu kaufen. Ich bringe ihn zwar ohne Weihnachtsstimmung nach Hause, dafür aber mit dem Eindruck, mich in der Jahreszeit geirrt zu haben. Als ich die Kellertreppe hinaufsteige, die Arme übervoll mit Weihnachtsdekorationen, überkommt mich ein Gefühl der Orientierungslosigkeit. Mein Herz ist definitiv nicht bei der Sache. Ich verlasse mich auf meine Kindheitserinnerungen, um doch noch in Weihnachtsstimmung zu kommen.

 

Wo ist die Weihnachtsmagie geblieben? All jene, die das Glück haben, ein Neugeborenes in der Familie begrüssen zu dürfen, können sie Ihnen erklären. Es gibt keine bessere Zeitmaschine als Kinder, um in die Vergangenheit zurückzureisen. Die Welt mit ihren Augen zu sehen bedeutet, eine graue und weisse Welt zu kolorieren. Es bedeutet, sich an die Weihnachtslieder zu erinnern, die oft in Karaoke-Gesänge ausarteten, an den Weihnachtsbaum, der erst fertig war, wenn auch die Schokolade daran hing, und daran, dass es mindestens einen Tag dauern würde, um alles wieder aufzuräumen. Doch nichts ist kostbarer als diese geteilten Momente.

 

Die grossen Detailhandelsketten wissen das ganz genau. In dieser Jahreszeit sind sie an Einfallsreichtum kaum zu überbieten, um uns die Bedeutung von zwischenmenschlichen Beziehungen in Erinnerung zu rufen. Denn uns allen fehlt etwas oder jemand. Und die Festtage nutzen diese Sinnsuche aus.

 

Die amerikanische Romanautorin Anaïs Nin schrieb: «Uns fehlt der Mut, die innere Reise anzutreten. Ausserdem haben wir unsere Mitte verloren und müssen sie wiederfinden». Wie wäre es, sich wieder auf das Wesentliche zu besinnen, statt zu versuchen, diese Lücke durch mehr Aktivitäten zu füllen? Verwandte einzuladen, Freunden zuzuhören, Zeit mit den Menschen zu verbringen, die wir viel zu oft vernachlässigen? Es wurde uns stärken und uns innere Ruhe schenken.

 


Vielleicht macht letzten Endes genau das die Magie von Weihnachten aus. Es geht darum, sein Kinderherz wiederzufinden, um weiter zu träumen!


Anita Hochstetter

 

Dezember 2019
#Jahreszeit